Wie unsere Gedanken uns daran hindern zu heilen
Unabhängig von der Diagnose spielt die Einstellung eine wichtige Rolle bei jeder Therapie. Wie können Sie selbst mithelfen - und wie verhindern Sie unbewusst eine erfolgreiche Therapie? Neuroplastizität und Plazeboforschung geben überraschende Antworten.
Was möchten Sie erreichen?
Eine meiner wichtigsten Fragen beim Erstgespräch vor einer Feldenkrais-Stunde lautet: „Was möchten Sie erreichen?“
Diese Frage wird sehr individuell beantwortet, es gibt keine richtigen oder falschen Antworten.
„Ich möchte mich wieder leichter und jünger fühlen.“
„Mich ohne Angst bewegen.“
„Ohne Schmerzen laufen.“ Wie weit? Die Antwort gibt einen klaren Hinweis darauf, wo die Klienten sich selbst sehen – fünfzehn Kilometer? Von der Bushaltestelle bis hierher?
Falls die Antwort lautet: „Ich möchte, dass es nicht schlimmer wird“ habe ich in der Regel ein Problem.
Die Antwort auf diese Frage gibt die Erwartungshaltung des Klienten wieder – und die übt einen mächtigen Einfluss auf den Verlauf und das Ergebnis einer Behandlung aus. Bei Erwartungshaltungen handelt es sich oft um sich selbst erfüllende Prophezeiungen. Das gilt nicht nur für Esoteriker oder (aber)gläubige Menschen, oder den Bereich der alternativen Medizin. Es gibt Schätzungen, dass (auch) die Wirkung von Arzneimitteln zu 20 % bis 80 % durch Placeboeffekte entsteht. (Wikipedia)
Placebo und Nocebo
Placeboeffekte sind positive Veränderungen des subjektiven Befindens und von objektiv messbaren körperlichen Funktionen, die der symbolischen Bedeutung einer Behandlung zugeschrieben werden. Sie können bei jeder Art von Behandlung auftreten, also nicht nur bei „Scheinbehandlungen“.
Eine repräsentative New Yorker Studie von 1970 an Asthmapatienten zeigt beispielsweise, wie extrem die Auswirkungen von Erwartungshaltungen auf den Körper sind. Wenn den Probanden Medikamente verabreicht wurden, die zu einer Verengung der Bronchien führen (was ihr Asthma erwartungsgemäß verschlimmern würde), sie aber davon überzeugt waren, ein Medikament zur Erweiterung der Bronchien erhalten zu haben, zeigte sich eine Verbesserung ihrer gemessenen Lungenfunktion. (Auch das Gegenteil war möglich – eine Verschlechterung durch eine negative Erwartungshaltung, trotz des geeigneten Medikaments.)
Dieses erstaunliche Ergebnis zeigt, dass die Erwartung unter bestimmten Umständen den Placeboeffekt so stark unterstützen kann, dass er die chemische Wirkung nicht nur aufhebt, sondern sogar umkehren kann.
(Quelle: wikipedia)
Placeboeffekte sind heutzutage in weiten Bevölkerungsschichten bekannt. Weniger bekannt – aber genauso stark und auf den gleichen Mechanismen beruhend – ist der Nocebo-Effekt: Eine sich selbst erfüllende negative Prophezeiung.
Der Klient, der sich wünscht, dass „es nicht schlimmer wird“ hat häufig bereits eine Obergrenze definiert – er kann zwar damit rechnen, dass sein Wunsch sich erfüllt. Dieser Wunsch schließt aber aus, dass es „gut“ wird!
(Ausnahme sind natürlich bekannte degenerative Erkrankungen*, bei denen der Wunsch, es möge nicht schlimmer werden, bereits eine positive Erwartungshaltung spiegelt.)
*Das gilt z.B.für Krankheiten wie Morbus Bechterev, Multiple Sklerose, chronische Rückenschmerzen, chronische Schmerzen, Karpaltunnelsyndrom oder Arthrose.
Die gefährlichste Erwartungshaltung
Die meiner Meinung nach gefährlichste – weil am weitesten verbreitete – Erwartungshaltung betrifft das Alter.
Diese Begründung höre ich bereits von Fünfzigjährigen, denen es schwerfällt, sich zu bücken oder das Bein hochzuziehen, um ihre Schuhe anzuziehen.
In weiten Teilen der Welt hocken Siebzigjährige völlig selbstverständlich auf dem Boden. Sie haben die Erwartungshaltung, dass sie es auch morgen noch können werden – wahrscheinlich denken sie darüber noch nicht einmal nach.
Was sollen Sie erwarten?
Meine nächste Frage wäre: was ist mehr, als Sie erwarten würden?
Diese Frage wird in der Regel sehr realistisch beantwortet – und sie ist das Minimum dessen, was Sie sich vornehmen sollten.
Vielleicht geht es ja leichter als Sie erwarten?
Wie sich eine Bewegung in 5 Minuten verbessern lässt.
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