Fünf Strategien gegen den Schmerz
In meinem letzten Blogbeitrag “Was Sie über Schmerz wissen sollten” habe ich beschrieben, dass Schmerzen häufig nicht nur eine körperliche Ursache haben, sondern auch von vielen anderen Faktoren, die Ihre Schmerzverarbeitung beeinflussen, abhängig sind. Diese Faktoren können Sie selbst beeinflussen:
Diese Faktoren können Sie selbst beeinflussen:
1. Stress
Auch wenn wir Schmerzen in erster Linie als körperliches Phänomen wahrnehmen, hat Stress einen großen Einfluss auf unser Schmerzempfinden, das auf jeden Fall in Betracht gezogen werden sollte. Wenn Sie Ihr Leben als stressreich empfinden, oder ihre Beschwerden sich in den Ferien oder ungewohnten Umgebungen bessern, sollten Sie über Möglichkeiten nachdenken, ihren Stress zu reduzieren. Lesen Sie mehr
2. Bewegung ist Leben
Bewegung ist eines der Definitionsmerkmale von Leben. Ein sich nicht bewegendes Tier ist tot. So gibt uns allein die Tatsache, in Bewegung zu sein – unabhängig von der Art der Bewegung – das Gefühl, lebendig zu sein.
Zu lange Bewegungslosigkeit kann dagegen Schmerzen erzeugen (denken Sie an 8 Stunden Autofahrt) und die körperliche Leistungsfähigkeit massiv herabsetzen.
Keine Bewegung!
1966 wurden in einer Studie der NASA fünf gesunde junge Männer vor, während und nach einer dreiwöchigen strikten Bettruhe untersucht. (Dallas Bed Rest Study)
Dr. Ronenn Roubenoff,der die Studie 2004 wiederholte, erklärt, dass bereits nach einer Woche Bettruhe starke Verluste von Muskel- und Knochenmasse auftreten. Unter anderem wurde eine Erhöhung entzündungsfördernder Cytokine nachgewiesen – Cytokine sind unter anderem verantwortlich für die „Kopf- und Körperschmerzen“ als Symptom einer Grippe. Lungen- und Nierenfunktionen verschlechterten sich, die Gefahr für Diabetes stieg.
Die Leistungsfähigkeit des Herzens und die Sauerstoffaufnahmekapazität der Teilnehmer sanken beträchtlich: in der ursprünglichen Studie brachen zwei der fünf Teilnehmer nach drei Wochen Bettruhe auf dem Laufband ohnmächtig zusammen. (Nach mehrwöchigem Kraft – und Konditionstraining erholten die Teilnehmer sich weitgehend).
Auch Bewegungsmangel – etwa durch eine überwiegend Sitzende Tätigkeit – kann über längere Zeiträume zu ähnlichen Symptomen führen.
3. Die Reizschwelle
Wir empfinden Reize nicht absolut, sondern in Relation zu anderen Faktoren unserer Umgebung:
Ein blasses Rot wirkt stärker, wenn es von Grau umgeben ist, und farbloser neben einem grellen Rot, Grün hebt die Kontraste hervor. Ein Gespräch in Zimmerlautstärke kann in einer Bibilothek oder dem Auftakt eines Konzerts sehr laut wirken, im Straßenverkehr kaum zu hören sein etc.
Dasselbe gilt für körperliche Empfindungen. Die Verarbeitung und Wahrnehmung körperlicher Informationen (wie Schmerz) wird durch die Präsenz anderer Sinnesempfindungen reduziert.
Wenn Ihr Nervensystem damit beschäftigt ist, Informationen aus Tastsinn (etwa bei einer Massage) und Bewegungsempfindung zu verarbeiten, hat es weniger Kapazität, Schmerzsignale zu empfangen.
Das ist ein einfacher Prozess, den die meisten von uns unbewusst anwenden, wenn wir einen verspannten Muskel berühren, oder einem Kind auf eine kleine Verletzung pusten. Diese sanften Berührungen senden Sinnesinformationen ans Gehirn, die mit dem Schmerz konkurrieren und seine Wahrnehmung und Verarbeitung stören.
Selbst Gedanken (eine kognitive Aktivität) können dazu dienen, den Schmerz „abzulenken“.
Auch eine aktive Muskelkontraktion ist in der Lage, normale oder schmerzhafte Impulse unseres Tastsinns zu reduzieren. Es gibt Hinweise darauf, dass das Schmerzempfinden während und einige Zeit nach starker körperlicher Belastung abnimmt.
Dieser Effekt ist stärker, wenn der konkurrierende Reiz als neu und interessant empfunden wird, und durch eine aktive Bewegung (im Gegensatz zu passiven Bewegungen und Massagen) hervorgerufen wird, und wenn er nah an der Schmerzquelle liegt. Neuartige, sinnlich reichhaltige Bewegungen, die auch den schmerzhaften Bereich betreffen, ohne den Schmerz zu verstärken, sind als „konkurrierende Informationen“ am besten geeignet.
4. Körperbewusstsein
Wie ich in meinem Blogbeitrag „Ein Körper, der sich fühlt, ist keine Selbstverständlichkeit “ beschrieben habe, ist die Repräsentation unseres Körpers im Gehirn sehr wichtig für unsere Bewegungskontrolle – und unser Schmerzempfinden. Wenn unsere sensomotorische Rinde – die „Körperkarte“ – Schmerzen in unserem rechten Bein signalisiert, haben wir Schmerzen in unserem Rechten Bein – selbst wenn dieses Bein nicht existiert.
Ein schlechtes Körperbewusstsein kann dazu führen, dass Bewegungen ungeschickt, unter Anspannung der falschen Muskulatur oder mit viel Widerstand ausgeführt werden, was sie mechanisch ineffektiv und potentiell schmerzhaft macht. Darüber hinaus gibt es Hinweise, dass allein ein Mangel an ausreichenden Informationen aus der sensomotorischen Rinde den Körper unter Stress setzt und zu Schmerzen führen kann (stellen Sie sich vor, Sie müssten mit verbundenen Augen – ohne ausreichende Information über ihre Umwelt – ein unbekanntes Gelände durchqueren. Die Körperspannung wird in den meisten Fällen automatisch zunehmen).
Ich halte es für möglich, dass viele der positiven Effekte, die durch verschiedene Bewegungsmethoden hervorgerufen werden, durch eine Verbesserung der Körperwahrnehmung im Gehirn entstehen – nicht durch Veränderungen der Muskulatur.
Yoga, Feldenkrais oder Tai Chi vermitteln neuartige Eindrücke und verbessern die Wahrnehmung,
Akupunktur, Feldenkrais, Chiropraktik und Massagen bieten reichhaltige Informationen für den Tastsinn und die Tiefenwahrnehmung.
Selbst ein leichter Muskelkater nach einem anstrengenden Krafttraining oder Stretching lösen denselben Effekt aus: durch den leichten Schmerz lässt sich der Körper besser wahrnehmen.
Am besten geeignet zur Intensivierung der Körperwahrnehmung sind neuartige, bewusst ausgeführte, erforschende und funktionelle Bewegungen - wie sind in Feldenkrais Einzel- und Gruppenstunden erlebt werden können.
5. Entwicklung von Bewegungsqualität
Schmerz tritt häufig bei bestimmten Haltungen oder Bewegungen auf. Sie haben beispielsweise keine Schmerzen, bis Sie ihren Arm in eine bestimmte Position bringen – beispielsweise bei einer Angabe im Volleyball oder einem Tennisaufschlag, oder einer bestimmten Art, ihre Wirbelsäule zu drehen.
Schmerz dient hier häufig als Signal des Nervensystems, diese als potentiell gefährlich erkannte Situation zu vermeiden.
Eine Herangehensweise besteht darin, die Bewegung leicht, und in vielen verschiedenen Variationen auszuführen – mit wenig Kraft und Geschwindigkeit und am besten außerhalb einer Trainings- oder Wettkampfsituation.
Sie haben dadurch die Gelegenheit, die Bewegung dieses Körperteils als angenehm und ungefährlich zu erleben, die empfundene Gefahr nimmt für Ihr Nervensystem ab, störende Schonhaltungen werden abgebaut, das Schmerzsignal wird überflüssig.
(Diese Art von Schmerzen sollte allerdings von einem Arzt abgeklärt werden, vielleicht braucht ihr Körper in erster Linie Ruhe).
Zusammenfassung
Sie können Ihren Gesundheitszustand entscheidend beeinflussen. Bewegung und Stressreduzierung sind effektive Mittel, um Vitalität zu steigern, Beweglichkeit zu erhalten und Schmerz zu verringern. Geeignet ist grundsätzlich jede Form von Stressreduzierung und Bewegung – von Kraftsport bis hin zu Spaziergängen und Gartenarbeit. Wichtig ist, dass Sie die Betätigung als angenehm und passend empfinden (und sie nicht zusätzlich für Stress sorgt).
Wenn Sie nach spezifischen Ansätzen suchen, um etwas für Ihre Gesundheit zu tun, suchen Sie nach Möglichkeiten, die vielseitige, leichte, interessante und als sicher empfundene Bewegungseindrücke vermitteln. Vor allem: Viel Spaß dabei!
Weitere Informationen: http://www.bettermovement.org/2010/strategies-to-reduce-chronic-pain-part-one/
Das gilt selbst dann wenn Sie eine Diagnose für ihre Beschwerden haben. auch klassische Krankheitsbilder wie Fibromyalgie, Kopfschmerzen, Kieferschmerzen, oder Multiple Sklerose und Bechterev reagieren auf Stress.
Photo Labyrinth: Susan Q Yin on Unsplash / Poppy flower: Photo by Quaritsch Photography on Unsplash